Text: Annalena Müller – Galerie Mark Müller – body doesn’t know (DE/ENG)

Body doesn’t know

Galerie Mark Müller, Zürich

 

Schon der Titel von Fabian Treibers aktueller Ausstellung ruft beim Lesen ein kurzes Irritationsmoment hervor; «body doesn’t know»‚’Körper weiss nicht’. Man hat das Gefühl, etwas fehle, unser Bewusstsein möchte das Fragment ergänzen. Gleichzeitig wirft das Erkennen einer vermeintlichen Leerstelle die Frage auf, was wir denn zu lesen gedenken, nach welcher Art der Vollständigkeit wir suchen, was es braucht, dass etwas Gültigkeit hat. Fabian Treiber legt so einen Zugang zu seinen Werken, die sich mit diesen Fragen auf der bildnerischen Ebene beschäftigen.
Der Künstler widmet sich dem schwierigen weil beinahe paradoxen Unterfangen, abstrakte und gegenständliche Bildelemente so zu vereinen, dass sie in der Schwebe der Uneindeutigkeit verbleiben.

Es tauchen archaische Formen und Silhouetten auf, die im Auge des Betrachters zu Vielem werden können. Wenn dem luzid-blauen, stumpfen Kegel mit der Tusch-Pistole ein feines Oval aufgesetzt wird, mag daraus ein Gefäss, vielleicht ein Wasserglas entstehen, und die davon wegführenden Linienbahnen werden zu Pflanzenstilen. Das darunterliegende, pastos gemalte grosse Viereck verwandelt sich zum Tisch mit Tischtuch. Aus abstrakten Motiven erwächst, bedingt durch ihr Verhältnis zueinander und der Zugabe des Betrachters, ein eigenartiges Stillleben.
Die einzelnen Formen und Materialitäten verharren allerdings nicht im eben etablierten Bedeutungskontext des singulären Bildes; der angedickte Acrylfarbauftrag mit den Rillenstrukturen, der eben noch die Haptik eines Tischtuches im Bild «cover» immitierte, erscheint auf dem Gemälde «Cocktail Table» als Keramiglasur eines Gefässes; die exakten Umrisse eines Tischbeins tauchen andernorts wieder als Bauch einer Vase auf. Ihre Wiedererkennbarkeit verleitet den Betrachter dazu, Rückschlüsse auf die Identität der Motive zu ziehen, sie als etwas Bekanntes definieren zu wollen. Doch jedes Bild etabliert die Spannung zwischen Unvollständigem und Gültigem, zwischen Eindeutigem und Ungreifbaren in sich und in der Verwandtschaft zu den anderen auf ein Neues. Der Drang zur Vervollständigung wird unterlaufen. Fabian Treiber schafft es, gerade so viele visuelle Anhaltspunkte in seinen Kompositionen zu platzieren, dass sie uns glauben machen, dem Rätsel um die Identität eines Sujets auf die Spur zu kommen, um uns darauf den entscheidenden Hinweis mit einer geschickten Querreferenz wieder zu entziehen.

 

Annalena Müller, Zürich 2017

 

(ENG)

The title of Fabian Treiber’s present exhibition at Galerie Mark Müller already provokes a short moment of irritation; «body doesn’t know». It feels like there is something missing. Our consciousness has the urge to complete the word fragment, perhaps with an article. Simultaneously, the detection of an alleged blank leads to the question of what we intend to be reading, what sort of completion it is that we seek, what it takes for something to be valid.

Through this initial irritation, Fabian Treiber leads a way to accessing his work, which addresses these questions on a pictorial level. The artist dedicates himself to the difficult, because almost paradox task, to combine abstract and representational image elements in a way, that leaves them hovering in a state of ambiguity.

The appearing archaic forms and silhouettes can turn into many things in the eye of the viewer. An added oval, air-brushed line may turn the lucid-blue truncated cone into a vessel, maybe even a water glass, and the brushstrokes leading away from it become plant stalks. The large underlying square in impasto style converts into a table and matching tablecloth. From these abstract forms arises, due to their relationship amongst each other and the addition of the spectator, a peculiar still life.

Yet, the individual forms and material qualities do not stick to the signification they just gained in the context of a singular painting; the thickened acrylic paint coat with its grooved structure, that only just imitated the textile feel of a table cloth in the painting «Cover», reappears as the ceramic glaze of a pot in the work «Cocktail Table»; the exact outlines of a table leg in one picture reoccur as the shape of a bottle in the next one.

Their recognisability leads the viewer to draw conclusions regarding the identity of the motifs. He or she wants to assign them as something known. But each of Treiber’s paintings establishes the tension between the incomplete and the outright, between the unambiguous and the intangible anew, in themselves and in kinship to the others. Our urge for completion is undermined. Treiber manages to place only so many visual clues into his compositions to make us believe, we are about to track down the mystery of a subject’s identity, only to withdraw the decisive indication with yet another, skilfully placed cross-reference.