Interview: Frederike Ebert – More Feeling (DE/ ENG)
Erschienen anlässlich der Ausstellung „More Feeling“ in der Galerie / published in ocassion of the show „More Feeling“ at Gallery
(DE)
Hallo Fabian, deine zweite Solo-Show für Ruttkowski;68 trägt den Titel „More Feeling“. Magst du erklären, was dieser für dich bedeutet? Ist er mehr Plädoyer oder Programm?
Tatsächlich glaube ich, dass er beides ist oder sein kann. Meist entstehen die Titel meiner Ausstellungen aus Begriffen oder Fragmenten, die mich über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet haben. Manchmal tauchen sie auch, fast schon wie gerufen, während der Arbeitsphasen auf. „More Feeling“ ist Programm, da die Beschäftigung oder eher der Umgang damit auch Einfluss auf die jeweiligen Arbeiten und meine Entwicklung nehmen kann. Der Titel ist aber genauso ein Plädoyer innerhalb eines Malereidiskurses. Er ist als ein Verweis auf die Materialität und die besonderen Eigenheiten von Malerei zu lesen; was Bilder als unser Gegenüber in uns auslösen – vielleicht auch, was nur sie auslösen können.
Auf welchen Malereidiskurs beziehst du dich mit diesem Plädoyer?
Es gibt meines Erachtens derzeit Tendenzen, das Medium als solches misszuverstehen. Es entstehen Gemälde, die digitalen Vorbildern nacheifern. Einige Küstler_innen sind unglaublich bemüht, diese Oberflächen in die Malerei zu transferieren – das ist doch vollkommen absurd! Natürlich prägen diese Vorbilder, welche beispielsweise aus Apps wie „Brushes“ stammen, digitaler Bildbearbeitung oder Animationen unseren Blick auf alle Bilder und sind daher eine Referenz. Und natürlich gibt es auch Positionen, die damit konstruktiv umgehen. Meines Erachtens schwächen Maler_innen ihre eigene Position als Autor_innen jedoch. Malerei kann so viel mehr! Man sollte sich selbst und das von diesen Vorbildern emanzipieren, vielleicht sogar eine Gegenposition einzunehmen. Das bedeutet für mich ebenso „More Feeling“.
Vom Gefühl zur Optik: Auf den ersten Blick wirken deine Arbeiten wie klassische Interieurs – in ihrer Farbigkeit erinnern sie an Resopal-Möbel aus den 50er Jahren, dennoch fällt es schwer, sie in einer konkreten Zeit zu verordnen. Woher stammt dein Mobiliar? Wie entstehen deine Räume?
Die Räume wachsen über den Malereiprozess heran, es gibt keine konkreten Vorbilder. Sie speisen sich eher aus Erinnertem und Spekulationen. Es sind Ablagerungen in mir, die sich in den Bildern langsam verdichten und niederschlagen. Ich beobachte viel, notiere mir in der Regel jedoch nichts, sondern baue darauf, dass die Dinge während des Malens wiederauftauchen. Das Interieur oder auch das Stillleben sind mir da willkommene Bühnen, die über die Zeit mehr an mich herangewachsen sind, als dass ich mich irgendwann bewusst dafür entschieden hätte.
Deine Werke haben einen collagierten Charakter. Ist Collage ein künstlerisches Medium, das dich interessiert? Und wie bist du zur Malerei gekommen?
Die Collage hatte mich eine Zeit lang sehr beschäftigt, vor allem als ich damit begonnen habe, mich ernsthaft mit Malerei und mit Komposition zu beschäftigen. Der Zufall oder die Überraschung haben für mich, seinerzeit in der Collage eine Art der Überprüfbarkeit bekommen. Das Vor- und Zurück-, Hin- und Herschieben hat es mir ermöglicht, meine Entscheidungen zu überdenken. Interessanterweise war die Collage aber immer nur ein Werkzeug für mich, nie mein Medium. Zur Malerei kam ich verhältnismäßig spät. Ursprünglich komme ich mehr aus der Zeichnung, war aber immer fasziniert vom gemalten Bild: vom Material, was es in uns auslösen und was daraus auf der Leinwand entstehen kann.
Du experimentierst mit sehr unterschiedlichen Formaten – gibt es eine Entsprechung von Motiv und Größe?
Die unterschiedlichen Formate und ihre Beziehung zum menschlichen Maß beeinflussen mich sehr beim Malen und bedingen meine Entscheidungen. Ich denke, dass die Größe von einem Motiv entscheidend dafür ist, was es mit uns macht. Ein kleines Porträtformat hat beispielsweise etwas sehr Intimes – damit muss man umgehen, wenn man den Betrachter erreichen will. Eigentlich ist das Format die erste Entscheidung, die man als Maler trifft.
Unabhängig von der Größe ihrer Darstellung wirken die Gegenstände in deinen Bildern nicht perspektivisch platziert, sondern eher gestapelt oder geschichtet – ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Farbflächen. Wodurch entsteht dieser Eindruck und welchen Effekt soll er erzielen?
Dieser Umstand ist hauptsächlich meiner Vorgehensweise geschuldet. Ich gelange von der ungrundierten Leinwand langsam – zunächst über dünn lasierte Farbflächen, dann über Lineaturen, welche sich überlagern – zu den Formen und schließlich zu den Gegenständen, die meine Bilder „bewohnen“. Das geschieht in unzähligen dünnen Schichten bis hin zu sehr pastosen Konkretionen. Dabei treffe ich die Entscheidungen immer formal und nicht narrativ. Das führt zu diesem seltsamen Zustand, dass die Bilder irgendwie nicht „stimmen“ aber doch richtig sind. Der sehr willkommene Effekt dabei ist, dass dieses besondere „Falsch“ eigentlich die Malerei als autonome Entität emanzipiert.
In deinen Arbeiten scheint deutlich das Prozesshafte, Imperfekte der verwendeten Techniken hindurch. Geht es dir darum, den Entstehungsprozess für die Betrachter_innen sichtbar zu machen?
Das Imperfekte ist etwas sehr Schönes und Einzigartiges – es ist ja auch nur imperfekt, wenn man es mit dem vermeintlich Perfekten vergleichen würde. Für die Malerei ist es aber vielleicht genau richtig. In jedem Bild entsteht ein Gefüge, das Gesetzmäßigkeiten entwickelt, die wiederum nur dort existieren. Eine krumme, händisch gezogene Linie, kann zum Beispiel so schön, so lebendig sein und eben genau richtig. Perfekt kann auch totgemalt sein. Gerade das Sprühen ist für mich eine Technik, die durch ihren feinen Nebel zur Sichtbarmachung von Oberflächen und Material beitragen kann, anstatt dass ich es nutzen wollte, um genau das und somit auch meine Einschreibungen zu „vertuschen“.
Du hast erzählt, dass dein „Kompass für gute Gemälde eigentlich immer das Seltsame“ ist… Findet sich diese Vorliebe für das Seltsame in der Hängung wieder, für die du ja auch verantwortlich warst?
Es ist der Versuch etwas zu versprachlichen, was eigentlich mehr eine innere Orientierung, ein Gefühl ist. Das Bild eines Kompasses erschien mir da ganz treffend. Mit meinen Entscheidungen in der Malerei bin ich ja im Prinzip allein und da muss es ja etwas geben, was mich leitet. Das ist natürlich etwas sehr Subjektives, vielleicht auch Irrationales aber ja auch Schönes, denn das macht es ja zu „meinen“ Bildern. Zumal ich das Seltsame auch an anderer Kunst schätze und ich immer der Meinung war, dass dieses „nicht Verständliche“, vielleicht auch das Widerspenstige, ein guter Hinweis sein kann, dass man es mit etwas Eigenständigem, einer eigenen Schöpfung zu tun hat. Auf die Hängung bezogen ist es etwas anders. Es ist der Versuch, die Bilder, der gemalte Gegenstand oder die gemalten Räume, zuzuspitzen und „übergriffig“ auf unseren Raum werden zu lassen – als kleine Stellschrauben, welche den Blick auf das Gemalte und dessen Beziehung zu uns verändern könnten. Ich glaube, dass das ein konstruktives Missverstehen auslösen kann, eine positive Störung. Also: Ich bin keine Fußmatte, sondern eine gemalte Fußmatte. Eine erinnerte Fußmatte…
Dein Anliegen in der Malerei ist, so beschreibst du es, das Verschieben der Demarkationslinie, die unsere Wahrnehmung und unser Empfinden zu bestimmen scheint, uns aber gleichsam immer vor Augen führt, dass wir es mit einer gemalten und somit anderen Realität zu tun haben. Das Darstellen von Realität ist also kein Sujet, das dich interessiert?
Das Darstellen von Realität interessiert mich als solches überhaupt nicht, zumindest nicht als reine Wiedergabe. Jedes Bild ist eine eigene Realität und Malerei nicht unserer Realität verpflichtet, sie muss nicht stimmen und kann dennoch wahr sein. Das ist etwas unglaublich Tolles. Ein gemalter Stuhl ist ja kein Stuhl, sondern erfüllt bestenfalls nur dessen typologische Eigenschaften, damit wir ihn als solchen identifizieren und zuordnen können. Ich kehre an den Punkt zurück, an dem die Malerei sich langsam von der Wiedergabe der Realität gelöst und begonnen hat, aus sich selbst heraus Behauptungen aufzustellen. Die Erfahrungen und Erinnerungen, die wir aber aus der Realität beziehen interessieren mich – genau da wird es total irrational. Sehen wir dasselbe Grün? Irgendjemand hat uns doch mal gesagt, dass das „Grasgrün“ ist, aber haben wir dieselbe Wiese im Kopf? Und was löst es in uns aus? Es ist mehr eine Innenwelt, der ich gerne eine „Bühne“ bereiten möchte. Das Vibrieren dieser Demarkationslinie, das Verschieben und Balancieren auf ihr soll einen Zustand befördern, der eine Sichtbarmachung ermöglicht und dabei der Malerei als unserem Gegenüber eine ernsthafte Rolle zukommen lässt.
(ENG)
Hello Fabian, your second solo exhibition for Ruttkowski;68 is titled More Feeling. Would you like to explain what this means to you? Is it more of a plea or a program?
Actually, I think it is—or can be—both. The titles of my exhibitions usually come from terms or fragments that have accompanied me over a longer period of time. Sometimes they also just appear while I am working, almost as if they were summoned. More Feeling is a program, because concentrating on it, or rather using it as an approach, can also influence these particular works and my evolution. But the title is equally a plea within a painting discourse. It can be read as a reference to the materiality and special characteristics of painting; what images evoke in us as our counterpart—perhaps even what they alone can evoke in us.
Which artistic discourse are you referring to with this plea?
In my opinion, there is a current tendency to misunderstand the medium as such. Paintings are being created that emulate digital models. Some artists are incredibly eager to transfer these interfaces into painting—but that’s completely absurd! Of course these models, which originate from apps such as “Brushes,” digital image processing, or animations, for example, are shaping our view of all images and are therefore a reference point. And of course there are also artists that are approaching this in a constructive manner. In my opinion, however, painters are weakening their own position as authors. Painting can do so much more! We should emancipate ourselves and this from these models, perhaps even adopting a counter-position. That is also what More Feeling means to me.
From feeling to appearances: at first glance, your works seem like classic interiors—their colors are reminiscent of Resopal furniture from the 1950s, yet it is difficult to situate them in a specific period of time. Where does your furniture come from? How do your rooms come into being?
The rooms evolve throughout the painting process, there are no concrete models. Instead, they are fed by memories and speculations. There are deposits in me that are slowly condensed and consolidated in the paintings. I observe a lot but I don’t normally write anything down; instead I am confident that things will reappear while I am painting. Interiors and still lifes are a welcome platform for this, which, over time, have grown on me more than I could have ever consciously decided myself.
Your works have a collage-like nature. Is collage an artistic medium that interests you? And how did you come to painting?
For a while I was very preoccupied with making collages, particularly when I started to seriously concentrate on painting and composition. At that time, collage granted me a kind of control over the element of chance or surprise. Moving things back and forth and to and fro allowed me to mull over my decisions. Interestingly, however, collage was only ever a tool for me, never my medium. I came to painting relatively late. Originally I came more from drawing, but I was always fascinated by the painted image: by the material, what it evokes within us, and what can emerge from it on the canvas.
You experiment with very different formats—is there a correlation between motif and size?
The variety of formats and their relation to human scale influence me a lot while painting and shape my decisions. I think that the size of a motif determines what it does to us. For example, a small portrait format has something very intimate about it—you have to take that into account if you want to reach the viewer. In fact, the size of the format is the first decision you make as a painter.
Irrespective of the size of their representation, the objects in your pictures do not appear to be positioned in perspective, but rather stacked or layered—the situation is similar with the different color fields. How is this impression created and what effect is it supposed to achieve?
This aspect is mainly due to my approach. Starting from the unprimed canvas, I slowly arrive at the forms—and eventually the objects—that “inhabit” my paintings, first by applying thinly glazed color fields, then overlapping lines. This takes place over countless thin layers, resulting in very thickly painted concretions. In addition, I always make decisions on a formal, not narrative, basis. This leads to this strange state where the images are somehow “wrong” but nevertheless accurate. The very welcome effect of this is that this particular “error” actually emancipates painting as an autonomous entity.
In your works, the process and the imperfections of the techniques used clearly shine through. Are you interested in making the creative process visible to the viewer?
The imperfect is something very beautiful and unique—it’s actually only imperfect if you compare it with the supposedly perfect. But perhaps for painting it is actually just right. In each painting, a framework emerges that develops its own regularities, which in turn only exist there. A crooked line drawn by hand, for example, can be so beautiful, so vibrant, and exactly right. Painting can also kill off perfection. Spray painting is precisely one such technique—I can use its fine mist of color to render surfaces and materials more visible instead of wanting to use it to conceal them and consequently my inscriptions.
You told me that your “compass for good paintings is actually always the strange”…Is this affinity for the strange also reflected in the way the works are arranged, for which you were also responsible?
It is the attempt to verbalize something that is actually more of an interior orientation, a feeling. The image of a compass seemed quite apt to me. In principle, I make my decisions alone when it comes to painting, and there must be something that guides me. Of course, this is something very subjective, perhaps even irrational, but also beautiful, because this is what makes them “my” paintings. Especially as I also appreciate the strange in other artworks and I have always been of the opinion that this “incomprehensible,” perhaps even unmanageable, aspect can be a good indication that one is dealing with something independent, one’s own unique creation. In terms of hanging art, it’s a little different. It is the attempt to sharpen the images, the painted object or the painted spaces, and to make them “encroach” on our space—like small adjusting screws that could change the view of the painting and its relationship to us. I believe that this can trigger a constructive misunderstanding, a positive disruption. Thus, I’m not a doormat, I’m a painted doormat. A remembered doormat…
In your painting, as you describe it, you are concerned with the shifting of this demarcation line that seems to determine our perception and feeling, yet always makes us aware, so to speak, that we are dealing with a painted—and thus different—reality. Is depicting reality is not a subject that interests you, then?
The representation of reality does not interest me at all as such, at least not just pure reproduction. Every picture is its own reality and painting is not beholden to our reality, it doesn’t have to be exactly right and yet it can still be true. That’s something incredibly great. A painted chair is not a chair; at best it only fulfills its typological characteristics so that we can identify and classify it as such. I return to the point where painting has slowly detached itself from the reproduction of reality and begun to make assertions from itself. The experiences and memories that we draw from reality interest me, however—that’s where it becomes totally irrational. Do we see the same green? At some point someone has told us that this is “grass green,” but are we picturing the same meadow in our heads? And what does this elicit in us? It’s more of an inner world that I would like to prepare a “stage” for. The oscillation, shifting, and balancing of this demarcation line should encourage a state in which it can become visible and in doing so grants painting a serious role as our counterpart.